Was heißt es, die Religion als kollektive Ressource zu sehen? ​

25.11.2020 I Online

Im Praxislabor III stellen sich die Teilnehmenden die Frage, was es heißt, Religion als kollektive Ressource zu betrachten. Zu Beginn grenzt Prof. Dr. Oliver Hidalgo den Begriff Religion von Theologie ab und unterstreicht, dass Religion sich immer auf eine Form von Gemeinschaft und Alltagspraxis bezieht. Er gibt zu bedenken, dass die Bildung einer Gemeinschaft (von Gläubigen) gleichzeitig bedeutet, dass Personengruppen ausgeschlossen werden. Dies kann dazu verleiten, Unterschiede in den Mittelpunkt zu stellen. Gleichzeitig betont er, dass Religion eine wichtige Ressource für Individuen und für Kollektive darstellt. Sie orientiert die Menschen in Bezug auf ihre Identität und Zusammengehörigkeit, sowie auf das Zusammenleben. Außerdem fördert sie soziale Kontakte und Teilhabe, sowie zivilgesellschaftliches Engagement. Für die politische Bildung leitet Hidalgo ab, dass es entscheidend ist, über eine demokratische Wertebasis zu sprechen. Hierbei sollen die gemeinsamen Werte diskutiert werden, die sowohl einen multireligiösen als auch säkularen Ursprung haben. Seiner Einschätzung nach ist eine klare Trennung von Säkularem und Religiösem nur sehr schwierig möglich.
Daran anschließend beschreibt Dekel Peretz seinen persönlichen Lebensweg als religiöse Suchbewegung. Als Vorsitzender des Vereins der Synagoge am Fraenkelufer engagiert er sich mit anderen dafür, den Saal der Synagoge wiederaufzubauen. Der Verein möchte einen Raum schaffen, in dem die unterschiedlichen Teilaspekte jüdischen Lebens, z. B. die jüdische Bildung, die kulturelle Praxis, wie Sprache und Gemeinschaft und auch das gemeinsame Gebet stattfinden können. Glauben und Religiosität sind für Peretz für das Jüdisch-Sein nicht ausschlaggebend. Im Gegensatz dazu steht die Wahrnehmung von außen hier in Deutschland, wo er durch sein Engagement in der Synagoge und durch seinen Bart als Rabbiner gelesen wird. Juden*Jüdinnen sind mehrheitlich säkular. Die Fremdwahrnehmung des Jüdischen Lebens ist in Deutschland auf eine bestimmte Form der (orthodoxen) Religiosität beschränkt und sehr eindimensional. In der anschließenden Diskussion werden folgende Aspekte aufgegriffen:

  • Religion als Ressource in Bezug auf zivilgesellschaftliche Werte und die sich daraus ergebende Möglichkeit eines säkularen/religiösen Kollektivs
  • Die (Un)möglichkeit der Trennung von Säkularem und Religiösem einerseits und die Schwierigkeit des Umgangs mit dem sehr dominanten trennenden Narrativ andererseits
  • International divergierende oder ähnliche Selbst- und Fremdzuschreibungen in Bezug auf das Religiös-Sein, sowie die Nachwirkungen nationalsozialistischer Propaganda auf die Fremdwahrnehmung und Bezeichnung jüdischer Menschen in Deutschland heute
  • Ableitungen für die politische Bildung, besonders in Bezug auf Brücken und Gemeinsamkeiten bei multireligiösen und gleichzeitig demokratischen Werten, Engagement und Partizipation, sowie der Sichtbarkeit von Diversität

Sie können die gesamte Dokumentation hier herunterladen.